Islandpferde gehören zu den Pferderassen, die eher selten mit „Dressurreiten“ in Verbindung gebracht werden. Islandpferde und Dressurreiten scheinen auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Kombination zu sein. Macht aber trotzdem Sinn …
Wie in unserem Blogartikel „Warum Dressurreiten?“ bereits aufgeführt, hat Dressurreiten nicht nur das Einüben von Piaffe und Passage zum Ziel, sondern vielmehr die Ausbildung der Pferde zu körperlich und geistig geeigneten und stabilen Reitpferden. Das gilt auch und besonders für die Islandpferde.
Die Vier- und Fünfgänger haben es nämlich zum Teil schwerer als Pferde mit nur drei Gangarten. Auch wenn die Veranlagung zum Tölt beim Isländer genetisch bedingt ist, fällt er nicht jedem Islandpferd gleich leicht.
Trab oder Tölt?
Manche Fohlen wählen ganz selbstverständlich den Tölt, wenn sie sich schneller als im Schritt fortbewegen wollen, andere fallen konsequent in den Trab. Bei diesen Pferden ist es häufig ein längerer Trainingsweg, den Tölt zu entwickeln und zu festigen. In jedem Fall ist Tölt unter dem Reiter für das Pferd aber eine anstrengende Angelegenheit, wird das Gewicht von Pferd und Reiter doch bei jedem zweiten Tritt nur von einem Bein getragen, in der sogenannten „Einbeinstütze“.
Um diese Gangart mit Reiter über eine längere Strecke laufen zu können, müssen Gleichgewicht und die tragende Muskulatur erst ausgebildet werden. Ähnlich sieht es mit dem Rennpass aus, den nicht einmal jedes Islandpferd im Blut hat.
Bild: So, wie das Fohlen seine linke Vorhand hebt, kann es durchaus schon zu einem kurzen Tölt ansetzen.
Viele Gänge – viele Möglichkeiten, aus dem Takt zu kommen
Der Tölt ist ein Viertakt wie der Schritt, kann aber deutlich schneller geritten werden. Der Rennpass ist ein Zweitakt wie der Trab, aber nicht das diagonale Beinpaar bewegt sich parallel, sondern die Beine einer Längsseite.
Bei soviel Ähnlichkeiten können die Gänge leicht durcheinander geraten. Heraus kommt dann ein Gemenge wie „Trabtölt“, „Passtölt“ oder ein Pferd, das vorne galoppiert und hinten trabt. Dagegen hilft zum Beispiel eine gute Balance des Pferdes, damit es problemlos im Takt – und damit im gewünschten Gang – bleiben kann.
Woran erinnert das?
Richtig, die „Skala der Ausbildung“, die auch für die dressurmäßige Ausbildung dreigängiger Pferde zugrunde gelegt werden kann:
- Takt
- Losgelassenheit
- Anlehnung
- Schwung
- Geraderichtung
- Versammlung
Auch Islandpferde können gut anhand dieses Leitfadens ausgebildet werden.
„Trotz der Spezialgangarten ist das Islandpferd ein Pferd wie jedes andere auch. Das heißt, es gelten grundsätzlich die gleichen dressurmäßigen Ausbildungsrichtlinien wie für Nicht-Gangpferde. Die zusätzlichen Gangarten bringen aber sowohl spezifische Herausforderungen als auch Möglichkeiten mit sich.“ Lisa Schürger, aus ihrem Buch “Faszination Islandpferd“.
Losgelassenheit und Anlehnung: Der Weg zum Takt
Vielen Islandpferden fällt es anfangs schwer, alle Gänge taktrein zu halten. Sie neigen dazu, ihre Gänge zu „verschieben“. Zum Beispiel vom Tölt in Richtung Pass, Trab oder Galopp. Dieser andere Gang wird dabei nicht sauber gezeigt. Stattdessen entsteht ein unruhiges Gemisch aus den Fußfolgen beider Gänge.
In solchen Situationen kann es sinnvoll sein, zunächst an Losgelassenheit und Anlehnung zu arbeiten und dadurch Hilfestellung zum Im-Takt-bleiben zu geben.
Auch wenn viele Menschen in den Gängen Tölt und Rennpass den besonderen Reiz der Islandpferde sehen, haben die anderen drei Gänge Schritt, Trab und Galopp ihre Berechtigung und ebenfalls eine entsprechende Ausbildung verdient.
- Klassische Lektionen aus dem dressurmäßigen Arbeiten wie das Reiten auf gebogenen Linien, häufige Tempowechsel und Seitengänge wie Schenkelweichen gymnastizieren jedes Pferd und fördern Anlehnung und Losgelassenheit.
- Auch ein Islandpferd lässt sich mit gymnastizierender Arbeit an den Zügel reiten, um dadurch die Voraussetzung für eine leichte, sanfte Kommunikation zwischen Reiterhand und Pferdemaul zu ermöglichen.
- Auch beim Islandpferd sollte bei aufgenommenen Zügeln in allen Gängen das Genick der höchste Punkt und die Pferdenase vor der Senkrechten sein.
Beim Tölt ist ein häufig zu sehender Fehler, dass ein Pferd deutlich über dem Zügel geht und den Unterhals massiv anspannt. Es hat den Kopf zwar hoch erhoben, was der Vorhand Aktionsraum gibt. Gleichzeitig drückt es aber den Rücken nach unten und verhindert so ein schwungvolles, lockeres und weites Untertreten der Hinterhand. Dieser Fehler tritt auf, wenn der Reiter mit zu viel und zu hoher Handeinwirkung sein Pferd in den Tölt presst, statt diesen in sanfter Anlehnung von der Hinterhand ausgehend nach vorne aufzubauen.
Bild: In Wettbewerben wird beim Tölt unter anderem der Raumgriff der Tritte bewertet.
Schwung, Geraderichtung – und die krönende Versammlung
Übungen aus dem Dressurreiten werden bei Islandpferden in der lösenden, gymnastizierenden und versammelnden Arbeit genutzt, selten als Selbstzweck. Es mag Isländer geben, die im Galopp Einerwechsel springen, aber um das Erarbeiten solcher Lektionen geht es in der Ausbildung eines Gangpferdes nicht in erster Linie.
Wer aber einmal auf einer Europa- oder Weltmeisterschaft gesehen hat, wie Tölt in verschiedenen Tempi geritten werden kann, hat vielleicht wie ich mehr als eine Gänsehaut bekommen.
Ähnlich wie ein weit ausgebildetes Dressurpferd auf den Punkt genau zwischen Piaffe, Passage und starkem Trab wechselt, kann das gut ausgebildete, talentierte Islandpferd im Tölt arbeiten:
Im langsamen Tempo schiebt es seine Hinterhand unter den Körper, die Vorhand richtet sich auf und es töltet raumgreifend mit hoch-weiten Tritten im langsamen Tempo. Aus diesem hohen Grad an Versammlung heraus entwickelt das Pferd schlagartig sein starkes Tempo und saust im exakten Viertakt mit noch weiteren Tritten im Affenzahn über die Ovalbahn, um sich dann auf den Punkt wieder versammeln zu lassen und im langsamen Tempo weiter zu tölten. Das geht nur mit Schwung, Balance und Versammlung!
Ähnlichkeiten zum dressurmäßigen Reiten finden sich auch bei Sätteln und Trensen.
Sättel für Islandpferde ähneln sehr einem klassischen Dressursattel. Sie haben lange, offene Blätter, die ein lang und locker liegendes Reiterbein ermöglichen. Die Sitzfläche ähnelt der eines Dressursattels, ist aber flacher und offener als die vieler moderner Dressursättel.
Gute Islandpferdereiter bewegen sich mehr in der Sitzfläche des Sattels, um die Hilfen für die vier bis fünf Gänge zu geben oder den Pferden wieder in den Takt zu helfen. Bei der Zäumung wird in der Regel zwischen einer Wassertrense und einer Islandkandare unterschieden. Letztere wiederum kommt für die feine Hilfengebung bei fortgeschrittenen Reitern und Pferden in Frage, ist aber in keiner Turnierprüfung Pflicht.
Reiten mit Plan
Was soll mein Pferd wann lernen, verfestigen, verfeinern? Ein Reiter sollte sich VOR dem Ritt überlegen, was gleich passieren soll. Klappt eine Lektion nicht, ist es wichtig, die Ursache dafür herauszufinden. Oft liegt es daran, dass das Pferd die Hilfen seines Reiters nicht versteht. Dann muss der einen Schritt zurückgehen und zunächst an der Hilfengebung arbeiten.
„Auch mit einem Islandpferd gliedert sich jede Trainingseinheit in drei Phasen: die Lösungsphase, die Arbeitsphase, die Beruhigungsphase.“ Lisa Schürger, aus ihrem Buch “Faszination Islandpferd“.
Wichtig ist auch, das Pferd nicht zu lange zu fordern, damit es nicht zu angestrengt ist, um seine Aufgabe erfüllen zu können. Eine Arbeitsphase sollte immer mit einem Erfolgserlebnis für das Pferd enden!
Aber bitte mit Abwechslung
Islandpferde sind von häufigem und langem Reiten in der begrenzten Bahn recht schnell gelangweilt und können lauffaul, abgestumpft oder angespannt werden.
Das gute ist aber: Bei regelmäßigen Ritten ins Gelände können Pferd und Reiter nicht nur entspannen oder mal tüchtig Dampf ablassen, sondern auch sehr konstruktiv arbeiten oder verlorenen gegangene Bewegungsfreude wiederfinden.
Seitengänge zum Beispiel kann man wunderbar von einem Wegrand zum anderen üben. Auch Schlangenlinien und Volten lassen sich im Gelände reiten, Tempoübergänge sowieso. Warum das aber alles, wenn man eigentlich nur spazierenreiten und möchte und vom typischen Bahnreiten die Nase voll hat?
Das Islandpferd als Freizeitpferd
Völlig klar: Ein Islandpferd muss kein Weltklasse-Tölter sein, um seinen Reiter bequem durch Wiesen und Wälder tragen zu können. Aber gerade gerichtet und im Gleichgewicht muss es sich auch dafür halten können, mit der entsprechend ausgebildeten Muskulatur, um seinen Körper und den des Reiters wie gewünscht bewegen zu können. Nur so kann es trittsicher im Gelände unterwegs sein und über viele Jahre gesund bleiben. Auch die Anlehnung zwischen Reiterhand und Pferdemaul muss stimmen, die Hilfengebung eindeutig und eingeübt sein.
Das heißt, auch ein „fertig ausgebildetes Freizeitpferd“ braucht Konditionstraining, Gymnastik und bisweilen auch Korrektur, um auf seinem Niveau zu bleiben. Ganz zu schweigen davon, dass es nach längeren Phasen des Nicht-geritten-werdens wieder auftrainiert werden muss.
Sonst kann aus dem gemütlichen lockeren Tölt schnell ein unbequem zu sitzender angespannter „Schweinepass“ werden. Oder das Pferd versucht, sich über Verspannen und Durchgehen dem Reiter zu entziehen. Es geht leider manchmal sehr schnell, aus dem entspannten, locker töltenden Isländer ein Pferd mit unklaren Gängen oder einen „Feuerstuhl“ zu machen, auf dem sein Reiter zunehmend Angst hat. Die Korrektur so eines Pferdes erfolgt unter anderem über dressurmäßiges Arbeiten.
Ein Beitrag von Eva Winter
Lisa Schürger
Mehrfache Europameisterin, WM-Finalistin, Ausbilderin und Züchterin
In ihrem Buch „Faszination Islandpferd“, erschienen im renommierten KOSMOS Verlag im Juli 2023, erläutert Lisa Schürger in einer klaren und verständlichen Sprache die komplexen Bewegungsabläufe der Gangpferde. Auch sind viele wertvolle Tipps zur Korrektur von Fehlern dabei und wie man diese von vornherein vermeiden kann.