Reitsättel: Kurze Information über eine lange Geschichte

Dressursättel, Springsättel, Western- und Barocksättel – es gibt eine Vielzahl von Sätteln für die verschiedensten Zwecke. Was hat es damit auf sich? Wer hat`s erfunden? Für den folgenden Überblick über die Entwicklung von Sätteln habe ich unter anderem in dem Buch „The Silent Killer“ von Sattlermeister Jochen Schleese gestöbert.

Irgendwann im Laufe der viele tausend Jahre alten gemeinsamen Geschichte von Pferden und Menschen haben die Menschen begonnen, Pferde nicht mehr nur als Nahrungsmittel zu betrachten, sondern sich auch ihre Trag- und Zugkraft zunutze zu machen. Erste Ritte auf dem Pferderücken erfolgten sehr wahrscheinlich ohne Sattel. Alte Zeichnungen und Skulpturen von Reitern und Pferden zeigen aber, dass irgendwann Felle und Decken als Sitzunterlagen auf die Pferde geschnallt wurden.

Für mehr Sitzkomfort haben die Menschen später aus den Fellen und Decken Reitkissen genäht. Die bahnbrechende Erfindung in der Geschichte der Reitsättel wird dem Volk der Skythen schon mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt zugeschrieben: Kissen mit zweigeteilter Tragfläche. Die dadurch entstandene Wirbelsäulenfreiheit bot den Pferden deutlich mehr Tragekomfort als durchgehende Unterlagen.

Holzsattel
Bild: Holzsattel

Ohne Sattelbaum kein Sattel

Auf diese Zeit gehen auch die ältesten noch erhaltenen Sättel oder Sattelteile mit zweigeteilten Holzversteifungen zurück. Diese und andere stabilisierende Holzkonstruktionen kennen wir als „Sattelbaum“ – bis heute die Grundlage der meisten Satteltypen.

Seine Auflageflächen dienen der Verteilung des Reitergewichtes und damit dem Schutz des Pferderückens. Die Form des Sattelbaums muss zur Anatomie des Pferdes passen, auf der anderen Seite ist sie formgebend für die Sitzfläche des Reiters. So kann einem kurzen, geschwungenen Pferd kein Sattel mit einem langen, flachen Sitz für den Reiter passen.

Die Aufgabe eines Reitsattels ist es, das Gewicht des Reiters so auf dem Pferderücken zu verteilen, dass der Reiter selbst im Gleichgewicht und zugleich über dem Gleichgewichtspunkt des Pferdes sitzt. Dabei darf der Sattel nicht auf den Dornfortsätzen der Wirbelsäule aufliegen. Stattdessen verteilt er das Gewicht auf der – im Idealfall gut ausgebildeten – Rückenmuskulatur, die schützend die Wirbelsäule umgibt.

Grob vereinfacht ist die Gemeinsamkeit der meisten Satteltypen, dass sie einen Sattelbaum mit Sitzfläche, zwei Sattelkissen oder Trachten und zwischen diesen einen Freikanal für Widerrist und Wirbelsäule haben. Hinzu kommen bei vielen Sätteln noch die Schweiß- und Sattelblätter – verschieden geformte dünne „Seitenteile“, die mehr oder weniger flächig unter den Schenkeln des Reiters liegen.

Satteltypen unterscheiden sich zum Beispiel in der Form und Größe ihrer Sattelkissen oder Trachten. Je mehr Auflagefläche diese haben, umso schonender wird das Reitergewicht auf der Rückenmuskulatur des Pferdes verteilt. Die Auflagefläche darf das Pferd aber nicht in seinen Bewegungen behindern, z. B. im Bereich der Schulter oder der Lendenmuskulatur.

Bocksättel

Historisch gesehen lassen sich Sättel in zwei Arten unterteilen: Bock- oder Trachtensättel und Pritschensättel. Bocksättel sind ursprünglich Tragesättel für Lasten. Sie bestanden zunächst aus zwei Brettern, die rechts und links der Wirbelsäule auf dem Pferderücken lagen und vorne wie hinten mit Bügeln verbunden waren.

Nach diesem Prinzip wurden auch die Reitsättel entwickelt, die über viele Stunden auf den Pferden liegen sollten: z. B. für berittene Truppen der deutsche Armeesattel und der amerikanische McClellan-Sattel, für die berittenen Viehhirten Western- und andere Arbeitssättel.

Ihre relativ lange Auflagefläche, die „Trachten“, ragt über die Sitzfläche des Sattels hinaus.

Westernsattel
Bild: Westernsattel

Pritschensättel

Zu den Pritschensätteln gehören die in England entwickelten und heute weit verbreiteten Sportsättel wie Dressur-, Spring-, Eventing- und Vielseitigkeitssättel.  

Ohne Trachten und mit einem durchgehenden, „taillierten“ Sattelbaum platzieren sie das Reitergewicht auf einer relativ kleinen Fläche der Rückenmuskulatur. Sie sind für kurze, intensive Trainingseinheiten mit feiner Übertragung der Gewichtshilfen gedacht. Auf längeren Ritten, unter schweren Reitern und mit Gepäck besteht die Gefahr einer punktuellen Belastung der Rückenmuskulatur und den damit verbundenen Risiken für das Pferd.

Der Vollständigkeit halber nenne ich hier auch den Satteltyp „baumlos“ – aber darauf an dieser Stelle einzugehen würde zu weit führen.

Dressursattel
Bild: Dressursattel

Dressur- oder Vielseitigkeitssattel, Western-, Barock-, Vaquero- oder Freizeitsattel? Es gibt eine schier unüberschaubare Menge an Satteltypen in unterschiedlichen Ausprägungen und Überschneidungen für die jeweiligen Anwendungsbereiche. Einen kleinen Überblick, welcher Sattel für welchen Zweck geeignet ist – und welches Quittpad darunter passt – finden Sie in unserem Artikel Welcher Satteltyp für welchen Zweck?

Zum guten Schluss: Ein dickes Dankeschön an Olaf Grauwinkel (von Horse & Silver“), Sattler, Westernausstatter und Pionier der Satteldruckmessung in Deutschland für die kritische Durchsicht dieses Artikels!

 

Ein Beitrag von Eva Winter