Ein Beitrag von Olaf Grauwinkel
Die Sattelunterlage ist neben einem passenden Sattel die zweite wichtige Verbindung zwischen Pferd und Reiter. Sie soll im Idealfall mehrere Anforderungen erfüllen:
– gute hygienische Eigenschaften wie Waschbarkeit
– Hautfreundlichkeit für den Pferderücken
– Hitze- und Feuchtigkeitsableitung
– anatomische Form mit offenem “Wirbelkanal”
– und, für mich wohl die wichtigste, deutlich druckdämpfend sein.
Ich habe eine tierheilpraktische Ausbildung, passe seit über zwanzig Jahren Sättel an und bin Ausrüster für Westernreitsport. Seit langem fällt mir auf, dass Anwender gerade die Druckdämpfungsleistung der vorhandenen Materialien sehr unterschiedlich und vorrangig subjektiv bewerten. Häufig wird allein die Dicke der Sattelunterlage als entscheidendes Kriterium für druckdämpfende Eigenschaften gesehen. Kaum jemand hinterfragt die physikalische Funktionsweise des Materials.
Das Stoßdämpferprinzip
Eine stoß- und druckdämpfende Wirkung hat ein Material nur, wenn es nachgiebig ist und gleichzeitig eine ausreichende Stauchungshärte besitzt. Genau wie das physikalische Prinzip des “Stoßdämpfers”.
Wer kommt auf die Idee, in ein völlig ungefedertes Auto mit Starrrahmen zu steigen, und die Fahreigenschaften als komfortabel zu bezeichnen? Umso verwunderlicher ist die Akzeptanz von 3-4 cm dicken, völlig steifen, harten und unnachgiebigen Sattelunterlagen, die mit diesen Eigenschaften auch noch eine Formänderung des Pferderückens bewirken, wie besonders im Bereich des Westernreitens zu beobachten ist.
Natürlich macht es auch keinen Sinn, ein Material zu wählen, das hochgradig nachgiebig ist, und bei Belastung durch fehlende Stauchungshärte sofort kollabiert, obwohl es 4 cm dick ist.
Mit Druckmessung zu Einsicht
Mithilfe von Druckmesstechnik der Firma Medilogic lassen sich die physikalischen Eigenschaften der unterschiedlichen Sattelunterlagen hervorragend in allen Gangarten unter realen Bedingungen mit Reitergewicht überprüfen. Spezielles Augenmerk gilt hier den Sattelunterlagen für Westernsättel. Methodik: Eine sehr dünne, mit 446 Drucksensoren ausgestattete Matte wird unter Sattelunterlage und Sattel gelegt. Per Funk können die Messdaten am Computerbildschirm sichtbar gemacht werden. Dieses System kommt ursprünglich aus der Humanmedizin. Dort werden mit Hilfe dieser Messtechnik Prothesen angepasst.
Für die Sattelanpassung wurde die Messmattengrösse verändert. Das ermöglicht nicht nur die genaue Passform-Analyse mit Reitergewicht in der Bewegung, sondern auch die Kontrolle der Sitzposition sowie der Eigenschaft der verwendeten Sattelunterlage. Für die Messungen in allen Gangarten wird besonders das Reiten in der Biegung provoziert, um die Schulterbewegungsfreiheit des Pferdes bewerten zu können. Zudem kann gleichzeitig der Ritt per Video aufgezeichnet werden.
Dick allein genügt nicht
Meine umfangreichen Messungen machen folgende Ergebnisse sichtbar: Die Dicke der Unterlage allein garantiert keine druckdämpfenden Eigenschaften. Ein zusammengedrückt ca. 1 cm dickes Fellpad ohne jegliche Füllung zeigt bessere Druckwerte als ein 1″ (2,54 cm) dickes und festes Filzpad. Zumal hier die Behinderung der Biomechanik im sensiblen Bewegungsbereich des Schulterblattes durch das starre Filzpad besonders deutlich ist. Es kommt zu hohen punktuellen Druckspitzen im Moment der Rückrotation und deutlicher Brückenbildung besonders im Biegungsverlauf.
Träge Nachgiebigkeit überzeugt
Die meisten Pferde stellen sich mit einer mehr oder weniger prominenten Schulterblattpartie vor, bedingt durch besser oder schlechter entwickelte Bewegungsmuskulatur. Zum Teil ist auch der Bereich des langen Rückenmuskels nur rudimentär entwickelt. Zusätzlich druckdämpfende Muskulatur ist in solchen Fällen kaum vorhanden.
Auch bei unterschiedlich stark bemuskelten Pferden zeigt sich: Die deutlich niedrigsten Druckwerte bewiesen die Sattelunterlagen, die neben einer guten anatomischen Form (wichtig bei Pferden mit deutlich ausgeprägtem Widerrist) auch über überzeugende physikalische Eigenschaften verfügen. Träge nachgiebiges Material wie Abstandsgewirke oder Funktionsschaum bietet mit Materialdicken von ca. 2-2,5 cm ausreichende Stauchungshärte. Da diese Materialien zudem nicht die Rückenform verändern, zeigten sich auch nie Abhebungen des Sattels (Brückenbildung) im Biegungsverlauf.
Druckmessung: blau = geringe Druckbelastung, rot = starke Druckbelastung
Vergleichsmessung zwischen einem 2,6 cm starken Pad aus QUITTPAD 3D-Textil (Abb. links) und einem 3 cm dicken Filzpad (Abb. rechts).
Die Momentaufnahmen zeigen eine Draufsicht in der Bewegung bei Rechtsbiegung. Deutlich zu erkennen ist bei der rechten Abbildung die starke Druckbelastung am oberen Ende des Schulterblattknorpels (rote Zone). Der druckbelastete Bereich dehnt sich nach unten in den Aktionsraum des Schulterblattes aus (grüne Zone), wo sie ebenfalls zu Einschränkungen der Schulterbewegungen führen kann.
Die linke Abbildung zeigt dagegen ein deutlich unauffälligeres Druckbild im gesamten Schulterbereich und eine deutlich gleichmäßigere leichte Belastung über die komplette Auflagefläche. In der rechten Abbildung weisen die weißen Flecken innerhalb der blauen Fläche auf eine Brückenbildung/Hohlräume hin. Der hintere Teil des Sattels wird wenig belastet und kann deshalb weniger zur Druckentlastung beitragen.
Fazit
Bei der Auswahl der Sattelunterlage muss die Funktionalität vorrangige Bedeutung haben. Deshalb sollte in diesem Bezug mit viel Sorgfalt ausgewählt werden. Sattelunterlagen gibt es in unterschiedlichen Materialien und Materialkombinationen, bei ihrer Funktionsweise sind unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Gute Hersteller und Händler erläutern gern die verschiedenen Systeme und bieten die Möglichkeit, Sattelunterlagen auf dem eigenen Pferd unverbindlich zu testen.
Olaf Grauwinkel
- Studium Agrarwissenschaften 1985-89
- Tierheilpraktische Ausbildung 1982-85
- Selbständig als Westernausrüster seit 1990
- 1996 Pionierarbeit in Deutschland im Bereich professionelle Sattelanpassung durch Einführung der elektronischen Satteldruckmessung
Kontakt
Olaf Grauwinkel
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