Pferde haben ein völlig anderes Temperaturempfinden als Menschen. Gesunde Pferde, die nicht häufig geputzt werden und wettergeschützt stehen können, sind in Mitteleuropa in einem relativ breiten Temperaturbereich in der Lage, ihre Kern-Körpertemperatur von 38° C ohne Hilfe von außen zu erreichen und zu halten. In diesem Temperaturbereich – der „Thermoneutralen Zone“ – läuft ihr Stoffwechsel ideal. Wenn es um das Thema “Eindecken ja oder nein?” geht, ist es wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Wenn wir Menschen uns schon in dicke Jacken und gefütterte Stiefel kuscheln, fühlen sich unsere Pferde oft noch pudelwohl.
Bei welchen Temperaturen genau ein Pferd beginnt, seine Körpertemperatur zu regulieren, hängt von individuellen Faktoren ab. Dazu gehören rassetypische Merkmale, Felldichte, Körperfettanteil, Gesundheitszustand, Witterungseinflüsse und Haltungsform. Wird es dem Pferd zu kalt oder zu warm, kann es über verschiedene Körperfunktionen seine Körpertemperatur steuern und halten. Diese „Thermoregulation“ funktioniert auch bei starken Außentemperatur-Schwankungen und erfolgt über die Haut, Körperfett sowie das Fress- und Bewegungsverhalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Pferd ganzjährig den Klimareizen ausgesetzt ist, da Thermoregulation trainiert werden muss.
1. Thermoregulation über die Haut des Pferdes
Hier wirken vier Faktoren zusammen: die Haut selbst, das Fell, Arterien und Schweißdrüsen.
Haut
Die Haut an sich wirkt schon isolierend, da sie relativ dick ist. Allerdings variiert ihre Dicke zwischen 4,5 mm im Rückenbereich und nur 1,4 mm im Hals-, Kopf- und Bauchbereich.

Fell
Die isolierende Wirkung des Fells ist unter anderem abhängig von seiner Dicke und der Dichte der Haarschicht, also auch davon, ob das Pferd Sommer- oder Winterfell hat. Pferde aus kältere Klimazonen, wie Islandpferde, haben rassebedingt grundsätzlich ein dickeres und längeres Fell als Rassen aus wärmeren Regionen, zum Beispiel die Araber.
Der Impuls zum Fellwechsel wird von den sich ändernden Tageslicht-Längen gesteuert und kann nicht durch Eindecken beeinflusst werden. Jeweils ab der Sommer- bzw. Wintersonnenwende leitet der Organismus des Pferdes den Fellwechsel ein.
Ein Pferd kann sein Fell über die Haarbalgmuskeln Aufstellen, Drehen oder Anlegen. So ermöglicht die „Gänsehaut“ die Entstehung einer isolierenden Luftschicht über der Haut.
Die Haarbalgmuskeln „funktionieren“ aber nur, wenn das Pferd sie auch benutzen muss, also das selbständige Erwärmen des Körpers auch trainieren darf. Wichtig ist außerdem, dass schweißverklebtes Fell nach der Arbeit ausgebürstet wird, sonst können sich die Haare nicht aufstellen.
Das Fell selbst ist von Natur aus mit einer fettigen Talgschicht „imprägniert“. Je länger das Haar ist, um so dichter legt es sich bei Regen übereinander. Das Wasser fließt an der Außenseite des Fells ab, die darunter liegenden Haarschichten bleiben trocken und das abkühlende Durchnässen bis auf die Haut wird verhindert.
Durch zuviel Bürsten oder gar Shamponieren des Fells wird die Talgschicht und damit ihre schützende Funktion reduziert.
Auch die „Kruste“, die ein Pferd sich beim Wälzen zulegt, hat eine isolierende Wirkung. Deshalb wirkt das Entfernen der Schmutzschicht dem Instinkt des Pferdes, sich „einzupacken“, entgegen.
Das Scheren des Pferdes verhindert eine Thermoregulation über den Faktor Fell komplett.
Arterien
Arterien sind durch Muskeln in der Lage, sich zu verengen oder zu weiten. Die Verengung lässt weniger Blut nahe der Hautoberfläche fließen – also kann auch weniger Blut kälter werden und auf seinem weiteren Weg durch den Körper den Organismus abkühlen. Die Erweiterung der Arterien sorgt für mehr Blutfluss und das Gegenteil: Das an der Hautoberfläche abgekühlte Blut kühlt anschließend die überhitzten Regionen des Pferdes.
Schweiß
Das Pferd schwitzt, wenn seine eigene oder die Außentemperatur zu hoch ist. Die Schweißdrüsen produzieren Flüssigkeit und geben sie an die Hautoberfläche ab. Dort wirkt sie kühlend auf die Haut und die darunter liegenden Gefäße. Das unter der Haut fließende Blut wird kühler und wirkt dann selbst abkühlend, sodass es auch bei hohen Außentemperaturen die eigene Temperatur senkt. Sobald es seine Kerntemperatur von 38° C erreicht hat, stoppt das Pferd die Schweißproduktion, um ein Unterkühlen zu verhindern.
Die Feuchtigkeitsabgabe ist auch ein Grund, dass Pferde sich tendenziell bei Kälte und Nässe wohler fühlen als in schwül-heißem Klima: Bei ohnehin schon hoher Luftfeuchtigkeit kann die von der Haut abgegebene Feuchtigkeit nicht in die Luft entweichen, da diese bereits durch die klimatischen Bedingungen gesättigt ist.
Wenn ein verschwitztes Pferd in einen geschlossenen Raum gestellt wird, dauert sein Trocknungsprozess deutlich länger als in einem Raum mit Luftbewegungen. Zudem steigt die Luftfeuchtigkeit an und befeuchtet wiederum das Pferd – die Gefahr von Unterkühlung, Infektionen und Koliken steigt, weil der Stoffwechsel und die benötigte Körpertemperatur negativ beeinflusst werden.
2. Thermoregulierung durch Körperfett
Körperfett hat eine geringe Wärmeleitfähigkeit und ist wenig durchblutet, deshalb ist es eine deutlich stärker isolierende Schicht als anderes Körpergewebe.
Ein bißchen „Winterspeck“ kann also ganz nützlich sein.
3. Thermoregulierung durch Futterangebot
Eine erhöhte Nahrungszufuhr erhöht die körpereigene Wärmeproduktion. Viel Wärme erzeugt vor allem die Verdauung von Rauhfutter wie Heu. Auch deshalb ist es wichtig, dass Pferde während ihrer Zeit in der Box oder im Auslauf stets Zugang zu Heu haben. Der kontinuierliche Verdauungsprozess erzeugt auch kontinuierlich Wärme. Bei starkem oder plötzlichem Temperaturabfall kann das Pferd allein durch Fressen schon einen Teil der erforderlichen Thermoregulierung leisten. Je niedriger die Außentemperatur ist, umso höher ist deshalb der „klimatische Energiebedarf“ des Pferdes.

4. Thermoregulierung durch Bewegungsverhalten
Bei Wildpferden lassen sich im Winter reduzierte Bewegungsaktivitäten gegenüber dem Sommer beobachten – die Pferde schalten instinktiv in den „Energiesparmodus“. Auch bei ganzjährig gearbeiteten Pferden kann ein reduziertes Winterprogramm die Thermoregulation unterstützen.
Weitere Möglichkeiten, sich im Winter eigeständig warm zu halten, sind:
- Kurze Phasen von Bewegung zum Aufwärmen nach Temperaturstürzen oder bei sehr widrigen Wetterverhältnissen;
- „Warmzittern“: Das Zittern von Muskeln ist ein Mittel, diese zu erwärmen und nicht zwangläufig ein Zeichen dafür, dass das Pferd friert
- enges Beieinanderstehen oder -liegen mehrerer Pferde, um sich gegenseitig Wärme zu geben;
- Sonnenbäder
- das Stehen mit den Hinterteilen in Richtung Regen oder Wind, der Schweif schützt die hintere Körperpartie und die Genitalien; häufig stehen Pferde so auch in Gruppen zusammen und wärmen sich gegenseitig.
Zusammengefasst
Pferde haben ein anderes Temperaturempfinden als Menschen und deutlich mehr Möglichkeiten als diese, über die Funktionen ihres Körpers ihre Kerntemperatur zu regulieren und zu halten.
Decken als Schutz gegen Witterungseinflüsse wirken dann positiv für das Pferd, wenn es seine Körpertemperatur ohne Decke nicht eigenständig halten kann, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen oder wegen geschorenem Fell.
Schwitzt das Pferd unter der Decke, wird diese zur Belastung und kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Schwächung der Abwehrkräfte, Koliken und Muskelverspannungen führen.
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