Warum Dressurreiten? 

Warum Dressurreiten?

Warum ist diese Disziplin so wichtig? Ist Dressurreiten möglicherweise mehr als Piaffe, Passage & Co.? Im Bild: Die Galopp-Pirouette – eine typische Lektion in Dressur-Wettbewerben der hohen Klassen. Dabei galoppiert das Pferd auf minimalem Raum einmal um die eigene Achse. (Foto: Sportfotos Stefan Lafrentz). 

Warum Dressurreiten?

Ein Beitrag von Eva Winter

Immer irgendwie im Kreis reiten, während der Pferdehals eng gewölbt ist und die Pferdebeine oft über Kreuz oder in Richtung der Ohren zucken. Diese Bilder scheinen viele Menschen – darunter auch Reiter – häufig mit dem Begriff „Dressurreiten“ zu verbinden.

Wäre es stattdessen nicht viel schöner, auf dem Pferderücken über Hindernisse zu fliegen, im flotten Galopp oder entspanntem Schritt schöne Landschaften zu genießen? Vielleicht sogar – Ostwind lässt grüßen – ohne Sattel und störendes Zaumzeug eine Einheit mit seinem Pferd werden…?

Dressurreiten – mehr als nur Präsentation des Pferdes in komplizierten Bewegungsabläufen

Obwohl Passage und Piaffe Lektionen höherer Dressur-Prüfungen sind, geht es beim “Dressurreiten” im ursprünglichen Sinne um etwas anderes. Es geht darum, das Pferd auszubilden – im doppelten Sinne des Wortes, sodass es körperlich und geistig in der Lage ist und bleibt, einen Reiter zu tragen und bestimmte Anforderungen an das Gerittenwerden zu erfüllen.

Dressurreiten ist vor allem Gymnastizieren und Grundlage für alle Disziplinen und Reitsportarten. Denn in der freien Natur ist es normalerweise nicht vorgesehen, dass Pferde mit “Gepäck” auf dem Rücken stundenlang in verschiedenen Gangarten laufen.

Dennoch haben Pferde als Nutztiere eine lange gemeinsame Geschichte mit den Menschen:

In Kriegen waren sie über Jahrtausende hinweg als Transportmittel überlebenswichtig. Im Kampf waren Ausdauer, Nervenstärke, aber auch Gehorsam, Sensibilität und Wendigkeit gefragt. Das Überleben der Soldaten hing oft von den Qualitäten ihres Pferdes ab.  Daher erforderte die Ausbildung dieser Pferde und ihrer Reiter viel Wissen, Geduld und Aufmerksamkeit.

Interessanterweise scheint es heutzutage jedoch eine wachsende Anzahl von Reitern und Pferdebesitzern zu geben, die Angst haben ihre Pferde zu reiten, und sich stattdessen fast ausschließlich zu Fuß mit ihnen beschäftigen, überwiegend Bodenarbeit machen.

Oder sie meiden den offenen Reitplatz und reiten nur noch in der Halle. Sie fürchten sich vor und auf Ausritten, anstatt sie zu genießen. Sie lassen Bereiten, anstatt selbst aufzusitzen und „Pferdeprofis“ herbeizurufen.

Warum gehen Pferde durch?

Pferde sind Fluchttiere, und die Ursachen für ein Davonlaufen unter dem Reiter können vielfältig sein: Schmerzen, Furcht, die Begegnung mit etwas unbekanntem, Mißverständnisse in der Kommunikation mit dem Reiter. Häufig kommen verschiedene Aspekte zusammen.

Wer schon erlebt hat, wie sich auch ein „nur“ 300 kg schweres Kleinpferd anfühlt, wenn es beschließt, unter dem Reiter vor etwas zu flüchten, weiß: Das kann schiefgehen. Gegen Durchgehen hilft nur Ausbildung, üben, trainieren.

Eventuell muss parallel dazu abgeklärt werden, ob auch eine medizinische Ursache Auslöser für das Fluchtverhalten des Tieres sein könnte.

Dressurreiten bedeutet Ausbilden

“Ausbilden” heißt, durch wiederholte, aber abwechslungsreiche Übungen und Trainingseinheiten gezielt Muskeln und Sehnen des Pferdekörpers zu stärken sowie das Selbstvertrauen und den Spaß des Pferdes an der Arbeit zu fördern.

Mit der körperlichen und mentalen Fitness eines Pferdes geht ein sicherheitsrelevanter Aspekt einher: Die Kontrollierbarkeit des Pferdes.

Wie bildet man ein Pferd richtig aus?

Die EINE, einzig wahre Lehre für die Ausbildung von Pferden gibt es nicht. Eine Richtlinie zur Ausbildung ist die „H.DV.12“.

Sie ist in Deutschland aus dem Erfahrungsschatz der Kavallerie hervorgegangen und hatte ursprünglich die möglichst lange Einsatzfähigkeit der Soldatenpferde zum Ziel. Dabei ging es auch darum, die natürlichen Bedürfnisse der Pferde zu respektieren und sie ihren individuellen Anlagen entsprechend zu fördern.

Im Jahre 2016 ist eine kommentierte Neuauflage der H.DV.12 erschienen, das Buch ist nach wie vor ein Meilenstein in der klassischen Reitlehre.

Die Skala der Ausbildung

Basierend auf den Grundsätzen der klassischen Reitlehre hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) eine weitere Richtlinie, die „Skala der Ausbildung“, entwickelt.

Sie umfasst sechs Punkte und stellt ein ganzheitliches, disziplinübergreifendes System für die Arbeit mit Pferden jeglichen Ausbildungsstandes dar. Unabhängig davon, ob jemand ein Dressur- oder Springpferd, ein Western-, Gang- oder Distanzpferd ausbilden möchte:

1. Takt
Takt ist das Gleichmaß aller Schritte, Tritte und Sprünge und hängt von dem geeigneten Tempo ab. Ein dauerhaft falsch gewähltes Tempo erschwert es dem Pferd, Gleichgewicht und Takt zu finden.

Takt wirkt sich auf das Gleichgewicht aus. Egal, wie man reiten möchte: Kann das Pferd sein Gleichgewicht nicht finden und halten, stolpert und stürzt es eher. Ein notorischer „Stolperhannes“ ist eine Gefahr für sich und seinen Reiter.

2. Losgelassenheit
Losgelassenheit ist das unverkrampfte An- und Entspannen der Muskulatur bei innerer Gelassenheit. Nur ein Pferd, das körperlich und mental losgelassen ist, ist leistungsbereit und leistungsfähig.

Losgelassenheit ist das Gegenteil von Stress – und im Übrigen ein Thema von Pferd UND Reiter.

Der Reiter, der nach einem langen Arbeitstag hektisch in den Stall rauscht, sein Pferd in Windeseile vorbereitet und dann noch ein halbes Stündchen Zeit zum Reiten hat, wird bei den meisten Pferden die Alarmglocken losgehen lassen: “Oh, oh, hoffentlich versteh ich, was ich tun soll?” – Keine gute Voraussetzung für eine positive Arbeitsatmosphäre. Egal, ob es um das Trainieren einer Lektion oder einen lockeren Ausritt geht.

Ein Pferd, das geistig und körperlich in einer entspannten Grundhaltung durchs Leben gehen kann, hat weniger Gründe zum Anspannen und Durchgehen.

Warum Dressurreiten? 

Zusammen lernen, zusammen wachsen: Der Friese hat etwas entdeckt – was wird er als nächstes tun? Durchstarten oder beruhigt weitergehen? (Foto: Ortrun Lenz auf Pixabay).

3. Anlehnung
Anlehnung ist die stete, weich federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Korrekte Anlehnung entsteht durch Treiben von hinten nach vorn – an die Hand heran. Nur wenn sich das Pferd losgelassen an das Gebiss herandehnt, entsteht eine konstante Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul und nur daraus kann sich Anlehnung entwickeln.

“Vom Pferd gesucht, vom Reiter gestattet”: Dieser Grundsatz stellt klar, dass Anlehnung das Vertrauen zur Reiterhand braucht. Wer Anlehnung nur mit dem Zügel oder mit Zwang zu erreichen versucht, befindet sich in einer Sackgasse.

Das Trainieren von Tempowechseln ist eine wichtige Übung auf dem Weg zur Anlehnung. Vertraut das Pferd der sanft bremsenden Hand, bleibt es auch in Schreck-Situationen eher in Kontakt mit seinem Reiter und verlässt sich auf sein beruhigendes Urteil, statt die Zügel selbst zu übernehmen und panisch davonzulaufen.

4. Schwung
Schwung ist die Übertragung des energischen Impulses aus der Hinterhand über den schwingenden Rücken auf die Gesamt-Vorwärts-Bewegung des Pferdes. Schwung entsteht erst, wenn der Rücken losgelassen schwingt.

Es besteht also ein wichtiger Zusammenhang zwischen Losgelassenheit, Rückentätigkeit und Schwung. Dabei hat Schwung nichts mit Tempo zu tun.

Schwung entsteht durch elastisches, flüssiges Vorwärtsgehen und beginnt in der Hinterhand.

Diesen Schwung kann jedes Pferd entwickeln, er nimmt den Reiter mit in die Bewegung und lässt ihn gut sitzen – anders als zum Beispiel auf einem Pferd, dass sich im Rücken verkrampft und den Reiter quasi „abstößt“. Auch hier geht es nicht um das Erarbeiten von aufsehenerregenden Bewegungen.

5. Geraderichtung
Geraderichtung ist das gleichmäßige Gymnastizieren beider Körperhälften zum Ausgleichen der natürlichen Schiefe des Pferdes.

Nur so kann das Pferd sein eigenes Gewicht und das des Reiters gleichmäßig auf beide Körperhälften verteilen. Andernfalls kommt es zur einseitigen Belastung von Muskeln, Sehnen und Gelenken.

Die Sache mit dem Geradesein kennen wir Menschen von uns selbst: Wir nutzen Sport, gymnastische Übungen oder die Dienste von Physiotherapeuten & Co., um eine Schiefe des Körpers auszugleichen sowie Fehlhaltungen und Schmerzen oder chronische Veränderungen zu verhindern.

Warum Dressurreiten? 

Gerade beim Springen im Gelände treffen Reiter häufig auf feststehende Hindernisse. Dann ist es umso wichtiger, das Tempo im Galopp so reduzieren zu können, dass das Pferd die richtige Absprungdistanz findet. (Foto: Ruth Weitz auf Pixabay).

6. Versammlung
Versammlung ist das leichtfüßige Ausbalancieren auf kleinerer Grundfläche mit energisch herangeschlossenen Hinterbeinen in Selbsthaltung.

Versammlung ist nur wertvoll, wenn Fleiß und Takt erhalten bleiben. Wichtiger Punkt bei der versammelnden Arbeit: Der Reiter muss immer daran denken, dass diese für das Pferd extrem anstrengend ist – vergleichbar mit der Kniebeuge beim Menschen.

Auch die Versammlung ist ein Prinzip, das nicht nur in Dressurprüfungen zu finden ist.

So muss ein Reiter beim Springen sein Pferd versammeln, um zwischen den Hindernissen die Länge der Galoppsprünge verkürzen und so die Distanz zum nächsten Sprung korrigieren zu können.

Für jeden Reiter gleich welcher Disziplin ist es wichtig, das Tempo innerhalb einer Gangart verringern zu können, zum Beispiel, um ohne das Risiko auszurutschen eine enge Biegung reiten zu können.

Beim “Dressurreiten” geht es also um weit mehr als nur komplexe Lektionen und Wettbewerbe. Es handelt sich um eine unverzichtbare, gymnastizierende Grundlagenarbeit, will man sein Reitpferd körperlich und seelisch gesund erhalten sowie kontrolliert mit ihm unterwegs sein.

Die oben aufgeführten Erläuterungen unter den Punkten der „Skala der Ausbildung“ sind an die Informationen auf der Webseite der FN (https://www.pferd-aktuell.de) angelehnt.

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