Ein Beitrag von Eva Winter
Alternativ: „Papa, ich will ein Pferd“ – dürfte einer der Sätze sein, der in vielen Familien angesichts der zu erwartenden Kosten für Entsetzen sorgen. Je nach Alter des Kindes und der Nervenstärke der betroffenen Erziehungsberechtigten werden diese in der Regel kategorisch ablehnen oder versuchen, das Ansinnen auf dem Gesprächswege aus der Welt zu schaffen.
Wer sich aber auf das Gespräch einlässt, kann auch zu dem Schluss kommen, dass das eigene Pferd zwar nicht drin ist, der Unterricht in einer Reitschule aber vielleicht schon. Egal, ob es dem Sprössling Pferdefeeling à la „Ostwind“, Viehherden treibende Cowboys, reitende Olympiasieger oder das süße Pony im vergangenen Urlaub angetan haben: Reiten ist deutlich komplexer als im Schritt, Trab und Galopp nicht vom Pferd zu fallen, und keinesfalls innerhalb von vier Wochen erlernt. Außerdem: Wer ein Pferd als Reittier nutzen möchte, sollte sich auch mit der Haltung, Pflege, Fütterung und Gesunderhaltung von Pferden auskennen.
Mehr als „Mein kleines Pony“
Über den bloßen Spaß hinaus können Kinder in vieler Hinsicht vom Umgang mit Pferden profitieren. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) fasst die Ergebnisse einer 2012 veröffentlichten Studie zusammen: „Reiten fördert die charakterliche und soziale Entwicklung. Reiten ist die einzige Sportart, die mit einem Lebewesen in partnerschaftlicher Weise gelernt und ausgeübt wird. Dadurch kann das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen gestärkt und die Konzentrationsfähigkeit sowie das Verantwortungsbewusstsein geschult werden. Das Erlernen des Reitens kann die Lernbereitschaft fördern und sich so positiv auf die schulischen Leistungen auswirken.“
Ab welchem Alter macht Reitunterricht Sinn?
Klassischer Reitunterricht auf dem Rücken von Ponys und Pferden kann etwa ab dem neunten oder zehnten Lebensjahr sinnvoll sein, abhängig von Entwicklungsstand und Konstitution des Kindes.
Aber schon deutlich jüngere Kinder können kind- und pferderecht an den Reitsport herangeführt werden und davon in ihrer Entwicklung stark profitieren. Dabei liegt der Fokus weniger auf dem „Reiten lernen“ als darauf, Kinder im Umgang mit Pferden und Ponys, mit deren „Sprache“ und Bedürfnissen vertraut zu machen. Wie das aussehen kann?
Team Pony Concept
Wir haben uns bei Kolly Holland-Nell informiert. Sie hat ein kind- und tiergerechtes reitpädagogisches Konzept entwickelt, das „Team Pony Concept“. Danach arbeitet nicht nur sie in ihrer Team Ponyschule in der Nähe von Gießen. Sie bietet das Team Pony Concept auch als Leitfaden und Ausbildung für den Aufbau und die Führung eigener Schulen an. Mittlerweile hat sie mehr als 70 Team Ponyschulen und 150 Lehrkräfte in ganz Deutschland und darüber hinaus qualifiziert und zertifiziert.
Team Ponyschulen sind pädagogische Reitschulen für Kinder von ca. zwei bis neun Jahren. Sie legen den Schwerpunkt auf das Tier als Partner und Lebewesen. Kinder erleben und erfahren, dass jedes Pony ein individuelles Lebewesen und der Mensch für sein Wohlergehen verantwortlich ist.
In Kursen lernen die kleinen Nachwuchs-Pferdemenschen spielerisch einen partnerschaftlichen Umgang mit den Ponys vom Boden aus. Beim Erlernen von Pflege, Bodenarbeit, Pferdesprache, Umgangsregeln, pferdegerechter Haltung und Bedürfnissen der Vierbeiner helfen pferdebezogenes Spielmaterial, Geschichten, Lieder und entspanntes Beisammensein. Dieses Grundwissen und das daraus entstandene Selbstvertrauen nehmen die Kinder mit auf den Ponyrücken.
Kolly Holland-Nell: „Es ist von großem Wert, Kindern Tierkontakte zu ermöglichen, denn diese bieten ein großes Lernfeld, was Kinder stärkt und zu stabilen Persönlichkeiten macht. Wir fördern die Kinder in ihrer Tierliebe, vermitteln den Beziehungsaufbau zwischen Ponys und Kindern und begleiten sie somit über Jahre bis hin zum altersgerecht angemessenen Reitsport. Wir freuen uns sehr darüber, dass wir Kinder langfristig für Pferde begeistern können – von Anfang an. Unser Schwerpunkt liegt in der Basisarbeit als Vorbereitung auf den breitensportlich orientierten Reitsport.“
Wichtig für die Eltern von zwei- und dreijährigen Kindern: Ihre aktive Mitwirkung ist erforderlich!
Der Reitschulbesuch bedeutet in dieser Altersgruppe noch nicht, die Kinder „abgeben“ und sich hinter den Zaun zurückziehen zu können. Wer dazu erst eigene Ängste überwinden muss, kann aber auf die Unterstützung des Teams zählen…
Ist der Zeitpunkt gekommen, in den klassischen Reitunterricht zu wechseln, haben die Kinder soviel gelernt, dass sie schon selbst in der Lage sind, sich ein Bild von der Qualität der zur Verfügung stehenden Reitschulen zu machen.
Kolly Holland-Nell: „Viele Reitschul-Betreiber freuen sich, wenn sie neue Reitschüler aus einer Team Ponyschule bekommen. Sie beschreiben sie als achtsam, sicher und kenntnisreich im Umgang mit den Pferden und durch ihre hohe Sozialkompetenz als Bereicherung für ihr gesamtes Umfeld.“
Derartig gut aufgestellte Reitschüler haben immer wieder Chancen, Pferde anderer Reiter regelmäßig pflegen und mitreiten zu dürfen – und so ihrem Traum vom eigenen Pferd einen weiteren Schritt näher zu kommen.